Warum fühle ich mein Glück nicht? 

Zwischen Rollen, Reizen & Routinen – über die Sehnsucht nach Tiefe

Gestern war ich beim Sport. Letzte Woche habe ich mich mit einer Freundin getroffen. Am Wochenende gab’s einen ruhigen Abend mit Kerzen, Buch und Lieblingstee. Ich tue doch was für mich – oder?
Und trotzdem war es heute wieder da: dieses seltsame Gefühl, neben mir zu stehen. Als würde ich mein eigenes Leben von außen betrachten – ein Leben, das objektiv gut ist. Eines, für das ich oft dankbar bin.
Aber manchmal ist da dieses leise Gefühl: Irgendetwas fehlt. Und dann frage ich mich: Was? Warum fühle ich das Glück nicht, das ich eigentlich habe? Warum falle ich immer wieder in dieses merkwürdige Gefühl des Noch-Nicht-Angekommen-Seins?
Job? Darf besser werden, aber passt eigentlich. Familie? Ja, mit Höhen und Tiefen – aber da. Freundschaften, Hobbys, sogar Me-Time? Ist alles da. Und trotzdem: Ich fühle mich oft nicht wirklich in mir verankert.

Ich verrate dir meine persönliche Sicht darauf. Ich habe für mich grob vier Gründe destilliert, warum sich das Leben trotz äußerer Fülle manchmal innerlich leer anfühlt:

1. Die Zunahme an Rollen Wir Frauen jonglieren heute mit so vielen Rollen gleichzeitig, dass uns oft gar nicht auffällt, wie stark uns das zermürbt. Wir sind Mutter, Partnerin, Tochter, Kollegin, Freundin, Pflegerin, Therapeutin, Mentorin, Köchin, Facility Managerin, Kalenderhüterin – und das alles täglich. Diese ständige mentale Multiverschiebung verlangt so viel Präsenz, dass oft kaum etwas für uns selbst übrig bleibt. Außer Zerstreuung.

Wir haben kaum noch Zeit, um zu verdauen, was das Leben mit uns macht. Kaum noch Räume, in denen etwas nachklingen darf. Unsere Aufmerksamkeit springt – unser Innerstes bleibt oft unberührt. Und so fühlt es sich auch an: Wir sind da – aber nicht wirklich. Wir tun – aber spüren kaum. Wir kommunizieren – aber verbinden uns selten tief.
Und das ist keine Schuldfrage. Das ist ein strukturelles Phänomen. Unsere Eltern kannten zwei, drei zentrale Rollen in ihrem Alltag – wir jonglieren täglich mit zehn, oft gleichzeitig.

Wir behandeln unser inneres Ermatten oft wie einen kleinen Schnupfen: Ein bisschen Pause, ein bisschen Wellness, ein bisschen Selbstfürsorge – und dann bitte wieder funktionieren. Aber was, wenn es kein Schnupfen ist? Was, wenn es ein leiser Ruf ist – eine seelische Müdigkeit, die nach Neuausrichtung ruft? Nicht, weil du dein jetziges Leben falsch lebst. Sondern weil du dich darin oft nicht mehr richtig spürst. Nicht ein neues Leben braucht es. Sondern eine neue Art, dieses Leben zu führen. Eines, in dem du dich nicht fremd fühlst in deiner Haut. Eines, in dem du wieder du bist – mit allem, was dich ausmacht.
Denn wenn sich alles wandelt, dürfen wir uns auch neu finden.

2. Das Älterwerden – und seine Konsequenzen Mit den Jahren verändert sich nicht nur unser Körper – auch unsere innere Belastbarkeit wandelt sich.
Wenn ich heute etwas mit der alten Beharrlichkeit durchziehe, bin ich danach wie ausgeknockt. Der seelische und körperliche Kater dauert länger – und geht tiefer. Was früher ein guter Ausgleich war, kratzt heute oft nur noch an der Oberfläche.
Und doch ist es nicht nur die Erschöpfung. Ich bin anders geworden.

Je älter wir werden, desto feiner werden unsere Antennen. Unsere Bedürfnisse steigen nicht in der Quantität, sondern in der Tiefe. Unsere Sehnsucht wird klarer. Je reifer wir werden, desto weniger suchen wir Zerstreuung – und desto mehr Tiefe. Wir wollen nicht mehr nur abschalten, sondern wirklich auftanken. Nicht mehr nur durchhalten, sondern innerlich erfüllt leben.
Was wir brauchen, hat sich verändert: weniger Reize, mehr Resonanz. Etwas, das uns berührt, bewegt – und uns wieder erinnert, wer wir wirklich sind.

3. Digitalisierung & Dauerreiz Wir sind vielleicht die erste Generation – vor allem als Eltern – die den digitalen Wandel nicht nur miterlebt, sondern ihn in nahezu alle Lebensbereiche integrieren muss: in unsere Arbeit, unsere Kommunikation, unsere Beziehungen, unsere Erziehung.

Dieser gesellschaftliche Wandel – durch Tempo, Technik, Anforderungen – hat längst Einfluss auf alles: Auf unsere Art zu erziehen. Zu lieben. Zu arbeiten. Zu denken. Es beeinflusst, wie viel Energie wir geben – und wie viel wir zurückbekommen. Es wirkt auf unser Nervensystem, unser Fühlen, unser ganzes Sein.

Was das mit uns macht? Wir sind dauernd „an“. Wir denken zwischen Tür und Angel, lesen halbe Sätze, hören Sprachnachrichten in 1,5-facher Geschwindigkeit, konsumieren halbe Podcasts – mit einem Kopfhörer im Ohr, weil wir mit dem anderen noch die Kinder hören wollen. Wir beginnen ein Buch und lassen es liegen, suchen Rat bei ChatGPT statt bei Menschen oder in uns selbst – und verlieren uns im endlosen Feed. Die Art, wie wir Beziehungen führen, hat sich verändert. Die Art, wie wir Körper erleben, Grenzen setzen, Bedürfnisse formulieren – alles ist in Bewegung. Und so sind auch wir aufgefordert, neu zu spüren, was uns in Balance bringt.

4. Der Verlust an echter Achtsamkeit Die Folge von allem: Wir verlieren die Fähigkeit, im Moment zu sein. Selbst in der sogenannten Me-Time sind wir oft innerlich nicht anwesend. Wir entspannen „nebenbei“, denken schon ans Nächste, checken Nachrichten, hören Meditationsmusik und schwelgen währenddessen in Erinnerungen oder analysieren Vergangenes oder stellen uns Gespräche vor, die wir nie führen werden.

Ich ertappe mich oft dabei, dass ich irgendwo bin – nur nicht im Hier und Jetzt. Und dann frage ich mich: Wie soll ich eigentlich mein Glück im Jetzt fühlen, geschweige denn schätzen, wenn ich nie wirklich anwesend bin?
Diese mangelnde Präsenz tut weh – weil sie uns vom Wesentlichen abschneidet: von uns selbst. Denn wenn die Seele nach Tiefe ruft, reicht Oberflächliches nicht mehr aus. Je älter wir werden, desto mehr sehnen wir uns nach echter Stille – nicht nur zehn Minuten zwischen zwei Terminen. Wir wollen wirklich verstanden werden – nicht mit Small Talk abgespeist, der sich anfühlt wie emotionales Fast Food.
Meine Zeit beginnt mir zunehmend wertvoller zu sein – ich will sie echt füllen. Wir brauchen Verbindungen, die uns nicht stressen, sondern nähren. Wir wünschen uns authentisches Sein – nicht nur funktionierende Rollen. Und unser Körper? Der verlangt nicht mehr nur nach kurzer Pause, sondern nach echter Zuwendung und Ruhe.
Das ist keine Schwäche. Das ist Evolution. Das ist Weisheit.
Und wenn wir diese Signale übergehen, meldet sich unser Körper lauter: mit Schlafstörungen, Verspannungen oder diesem eigenartigen Gefühl, im falschen Film mitzuspielen.

Was mir hilft – fünf meiner Essenzen

Es gibt kein Rezept, aber ich habe für mich fünf wesentliche Anker gefunden, die mich immer wieder zurück zu mir führen. Vielleicht ist etwas dabei, das auch dich stärkt:

1. Akzeptanz – auch der dunkleren Momente Ich gestehe mir selbst ein, wenn ich einen trüben, launischen oder einfach schwierigen Tag habe. Er darf einfach sein – ohne dass ich ihn sofort analysiere, umwandle oder mit einer Lösung überklebe.
Ich stehe dazu – und manchmal kommuniziere ich das auch ehrlich in meinem Umfeld, ohne Drama, aber mit Klarheit. Mit der Zeit habe ich mich mit meiner Unperfektion versöhnt. Heute schätze ich sie sogar – sie entlastet mich und macht mich ehrlicher mit mir selbst. Sie aktiviert etwas Wertvolles in mir: meine Fähigkeit, über mich selbst zu lachen. Und das ist oft heilsamer als jeder Optimierungsversuch

2. Meine Persönlichkeit ausloten Bei mir war es irgendwann eine logische Konsequenz: Mich intensiver mit meiner Persönlichkeit zu beschäftigen. Welche Stärken und Schwächen machen mich aus? Nach welchen Werten möchte ich leben? Was macht mich innerlich aus – jenseits meiner Rollen? Das war ein echter Game Changer: mich selbst besser kennenlernen und verstehen. Kennst du deine Stärken, deine aktuellen Werte oder dominanten inneren Anteile? Das ist so erhellend. (Mach ich übrigens auch gern mit dir.)

3. Achtsamkeitspraxis im Alltag verankern Was ich an Me-Time tue, will ich auch spüren. Deshalb habe ich mir eine achtsame Grundhaltung bewusst antrainiert – nicht immer perfekt, aber ehrlich. Mal sehr engagiert, mal voller Unlust – aber kontinuierlich. Und genau das ist der Schlüssel für wahrhaftige und nachhaltige Veränderung. Tägliches Meditieren, regelmäßige Naturzeiten & Bewegung, Licht auf der Haut, bewusster Augenkontakt in der Kommunikation. Und auch: Räume für Kreativität. Texte wie diesen zu schreiben, bringt mich in den Flow, verbindet mich mit mir. Da geht kein „nebenbei“. Was ist es bei dir?

4. Spiritualität entdecken und vertiefen Meine bewusste Hinwendung zu meinem Glauben an Gott gibt mir Klarheit und Halt. Mit Jesus als Vorbild fällt es mir leichter, mich immer wieder neu auszurichten – liebevoller, wacher, aufrichtiger durchs Leben zu gehen. Und sie schenkt mir etwas, das ich lange gesucht habe: Vertrauen in etwas, das größer ist als ich – und das mich trägt, wenn ich mich selbst verliere.

5. Gemeinsam statt allein – die Energie unter Frauen Ich liebe Verbundenheit mit Frauen. Diese besondere Nähe, die entsteht, wenn wir echt sind, ehrlich teilen, einander zuhören – ohne Masken, ohne Konkurrenz. Ich staune immer wieder, wie viel Kraft darin liegt: in einem ehrlichen Gespräch oder geteilten Schweigen. Da fließt etwas. Da wird aus Begegnung Energie.
Diese Solidarität unter Frauen ist nicht nur wohltuend – sie ist transformierend. Sie macht Mut, inspiriert, stärkt. Und sie erinnert uns daran, dass wir nicht allein durch all das müssen, was das Leben von uns fordert.
Darum öffne ich Räume nur für Frauen. Weil genau hier diese besondere Dynamik entsteht. Weil wir gemeinsam tiefer gehen können – und weiter kommen. Und weil ich zutiefst glaube: Echte Veränderung beginnt in echter Verbindung.

„Rückverbindung beginnt im Kleinen – in Momenten der Stille, der Sehnsucht, des Genährtseins.
Und manchmal braucht es eine Wegbegleiterin für länger.“ 

Maria Maroge