Zurück in die Zukunft

Was war damals gut und verdient heute ein Comeback? Manches war geschmacklos und bleibt es auch, einiges bleibt unvergessen, finden die vier Befragten. Sie äußern sich unterhaltsam, aber auch nachdenklich über vergangene Zeiten, ihre Haltung heute und zu der Frage: Wie werden die zukünftigen Generationen wohl auf uns zurückblicken? 

Tabitha Steinmetz, 44, Heilbronn, Weinküfermeisterin & Mediengestalterin: 

»Jedes Zeitalter hat seine Vor- und Nachteile, die ich persönlich ausschöpfen würde. Mir ist die Besinnung auf das Wesentliche wichtig. Jeder hat einen Platz und wenn man herausfindet, welchen, ist das für die mentale & körperliche Gesundheit desjenigen der Jackpot. Persönlichkeitsentwicklung und Achtsamkeit sind heute keine Randthemen mehr, aber immer noch nicht etabliert genug. Hoffentlich wird das zukünftig mal ein Unterrichtsfach in der elementaren Schulbildung!

Worauf wir nicht stolz sein dürfen und von den zukünftigen Generationen verantwortlich gemacht werden, ist die Müllproduktion und der blinde Konsumzwang – gesetzt den Fall, sie selbst sind wachsamer als wir und sitzen nicht noch tiefer im Müllhaufen, hypnotisiert von noch besseren Angeboten und Musthaves.

Eine Errungenschaft unserer Zeit ist für mich die digitale Fotografie. In den 80er und 90er Jahren war die analoge Fotografie noch ein Handwerk. Heute gibt es dafür Bildbearbeitungsprogramme. Irgendwie bedauernswert, ich arbeite so gerne mit meinen Händen.

Die Menschen von damals wären sicher entsetzt gewesen, wüssten sie, wie der digitale Fortschritt das Sozialverhalten der Familien prägen wird und dass sich Handys zu einem Furunkel der Gesellschaft entwickeln. Der echte Austausch beim gemeinsamen Abendessen wird immer geringer – statt im Hier zu entspannen, flüchten wir in eine unechte Parallelwelt. Welches Jahrzehnt auch immer – ich lebe jetzt!«

Helmut Müller, 67, Heilbronn, Journalist und Freier Texter:

»Mit Schlaghosen fühlte ich mich größer als ich war, sie stärkten mein Selbstbewusstsein. Hackbraten war das Non-Plus-Ultra des sonntäglichen Mittagstischs – schmeckt mir auch heute noch. Schallplatten und die Musik von The Nice, Santana und den Stones waren Fluchtpunkt und Befreiung aus dem dörflich engen Leben. Die Wiedergeburt der Scheiben mit den bunten Cover weckt nostalgische Erinnerungen. Inzwischen habe ich wieder einen Plattenspieler. Scheußlich dagegen finde ich immer noch Plateauschuhe, sie passen einfach nicht mehr in die heutige Zeit. Glam-Rock und der unverwüstliche Schlager spiegeln eine Welt, die es weder heute noch damals gab. 
Aus der Sicht von 1980 wäre es unglaublich und erschütternd zugleich, dass die Menschen 2022 mit einem kleinen Gerät weltweit kommunizieren, sich über alles informieren, Tickets buchen und so weiter.

In 50 Jahren kämpft die Menschheit ums Überleben und sie werden uns zur Rechenschaft ziehen für die Ignoranz gegenüber dem Klimawandel. Fünf von 16 Kippunkten sind heute schon erreicht, und noch immer gibt es keine Bereitschaft, Verzicht zu leisten und unser Leben radikal zu ändern.
Ich würde am liebsten 200 Jahren in der Zukunft leben, weil die Überlebenden der Klimakatastrophe zur Einsicht gekommen sind, dass weniger mehr ist und es nur noch eine Religion gibt – die, dass Menschen auch nur Menschen sind, der Respekt vor der Natur unsere Lebensgrundlage ist und vorurteilsfreies Zusammenleben das Glück auf Erden bedeutet.«


Mirela Rusek, 35, Heilbronn-Sontheim, Praxismanagerin:

»Als ich jung war machte ich mir nicht so viele Gedanken um Finanzielles, Partnerschaft, Job, Freunde etc. Ich lebte frei in den Tag hinein – ohne Ängste und Sorgen. Ich erinnere mich gern an die Partys und Musik meiner Jugend. Spice Girls bleibt bis ins hohe Alter meine Highlight-Band. Doch nicht alles was war ist gut: Tiger, Leopard, Kuh oder Zebra – diese Kleidungsstücke sollten tabu sein!

Ich kann mir gut vorstellen, wie irritiert die Menschen in meiner Jugendzeit gewesen wären, hätten sie erfahren, was heute Realität ist: die Ausbreitung von Social Media, die Digitalisierung von allem, der Klimawandel, Elektroautos, so viele unglückliche Menschen und vor allem: die Corona-Pandemie.
Die Generationen nach uns werden uns dagegen für unser Handeln verurteilen. Zwar haben viele Menschen heute eine eigene Meinung, aber Angst diese zu vertreten. Radio, Fernsehen, Social Media – überall gibt es negative Nachrichten und einschüchterne Botschaften. Wir könnten aber alle gemeinsam so vieles auf dieser Welt bewegen und zum Positiven verändern. Doch dafür müssten die Menschen sehr viel an sich selbst arbeiten und die Angst in Mut umwandeln.

Für meine Zukunft wünsche ich mir, das meine Tochter ihren eigenen Weg geht und mir stets verbunden bleibt. Und dann sehe ich mich auf Bali – frei – ein Leben ohne Hektik, mit vielen positiven Menschen. Und ich bin mir sicher, dass ich noch vieles auf dieser Welt bewirken werde. Das Glück liegt in so vielen kleinen Dingen und die stärkste Liebe findet man in sich selbst.«

Jörg Hehn, 43, Personalentwickler, Wüstenrot:
»Unsere Generation ist in allen Lebensbereichen sehr gefordert, da wir die größte digitale Transformation erleben mit alle seinen Annehmlichkeiten und Schattenseiten. Wir sind die Verbindung aus der traditionellen und auch besinnlichen Generation zur neuen, die mit der digitalen Infrastruktur, Algorithmen und künstlicher Intelligenz von Kindesbeinen an aufwächst. 
Zusätzlich fordern uns gesellschaftliche Vorstellungen und angebliche Ideale, einer/m perfekte/n Partner*in, Arbeitnehmer*in oder Elternteil gerecht zu werden, kombiniert mit einem durchgetakteten Zeitmanagement. Dabei sind Elemente wie Ruhe, Zeit für sich oder der Austausch mit Mitmenschen und Freunden ein so hohes Gut, wie auch die Meinungsfreiheit.

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Die nächsten Generationen werden vielleicht mit Kopfschütteln auf uns zurückblicken, wie wir unsere Meinungen in den verschiedenen öffentlichen Plattformen kundtaten. Wir nutzen heute zwar die neuen digitalen Möglichkeiten der Meinungsfreiheit und viele Themen und Schicksale können und sollen Gehör finden, aber das sollte eben mit mehr Anstand, Akzeptanz und Verantwortung gelebt werden. Ich hoffe und wünsche mir, dass die nachfolgenden Generationen unsere aktuellen Fehler nicht wiederholen oder gar verschlechtern, sondern uns als mahnendes Beispiel nehmen, welche Gefahren und Verhaltensweisen für sich oder andere entstehen können und es dauerhaft verbessern.«