Kleidung als Spiegel der Seele und Haltung
Global, lokal, saisonal, natural – egal welchen Kontext die Kleidungsstücke im Schrank haben, erst der individuelle Bezug zum Träger gibt ihnen Bedeutung. Mode ist ein Statement, sie verrät wer ich sein will und wie ich wirken möchte. Sie offenbart subtil meine Stimmung und Einstellung. Sechs Stilbewusste äußern sich zu ihrem Fashion-Lifestyle.
Es heißt: »Du bist was Du trägst«, »Dein Style spiegelt dein Inneres« oder in Karl Lagerfelds Worten: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“. Der Modegott dreht sich vermutlich im Grabe um, weil die Jogginghose aktuell sowas von angesagt ist, von sportlich, gestrickt bis strassbesetzt. Heute steht Lagefelds verpöntes Kleidungsstück statt für Antriebslosigkeit eher für Freiheitsliebe und Lässigkeit.
Doch was kommt zuerst: Wähle ich die Jogginghose passend zu meiner Stimmung? Oder bestimmt sie vielmehr mein Lebensgefühl, nachdem ich sie eher unbewusst trage? »Meistens wählen wir, worauf wir spontan Lust haben und was zum bevorstehenden Tag passt«, erklärt Farb- und Stilberaterin Monika Scheida. »Mein Outfit kann mich aber auch atmosphärisch wesentlich beeinflussen«, erklärt die 55-Jährige aus Tauberbischofsheim. Darum empfiehlt sie, die Kleidungswahl bewusster zu gestalten – z.B. mit der Frage: Wie will ich mich heute fühlen?
Mode spiegelt aber nicht nur die Seele, sondern auch die Haltung. Was ich trage, repräsentiert nuanciert für was ich stehe. Großen Einfluss auf das Konsumverhalten vieler haben etwa die globalen Ketten wie H&M oder Zara, denn sie setzen mit ihrer »Fast-Fashion« rasant wechselnde Trends – und das erschwinglich.
Parallel boomen aber auch globale Luxuslabels wie Louis Vuitton, Chanel, Gucci oder Prada, die bis in die Provinz und auch zu jungen Menschen mit kleinerem Portemonnaie vorgedrungen sind.
Ein klares Statement setzt die »Fair-Fashion«-Bewegung. Nachhaltigkeit, Qualität, faire Bedingungen in der Modewelt sind schon lang keine Nischenthemen mehr. Einst verstaubte Labels wie »hessnatur« erleben eine Renaissance. Viele Fair-Fashion-Unternehmen wurden in den letzten Jahren gegründet, so wie das Stuttgarter Label »Wiederbelebt«. Diese nutzen industrielle Überschussware und Restbestände von Textilunternehmen aus Baden-Württemberg und zaubern daraus limitierte, modische Kleidungsstücke.
Der wunderbarste Aspekt beim Thema Mode ist doch: unsere Freiheit. Noch nie waren wir so frei, verschiedene Stile, Labels und Haltungen gleichzeitig zu tragen, Kontraste und Stilbrüche zu wagen. Facettenreich, individuell und tolerant ist der aktuelle Mode-Geist – mit einem Faible eben für Jogginghosen.
Susanne Schubert, 49, Talheim, Beamtin im höheren Dienst:
Ich liebe Mode. Ich mag Secondhand, Flohmärkte, nähe und färbe gern – ich habe Spaß, mich und meinen eigenen Stil jeden Tag neu zu erfinden, meine Persönlichkeit und Individualität mit Freude auszudrücken. Ich mag vor allem Looks, die mich zum lachen bringen: weit, bunt, glitzernd, crazy. Meinen Stil würde ich als cool und lässig beschreiben. Ich trage oft Culotte, manchmal Leder, auffallend, mit einer Prise Vintage, kombiniert mit etwas Besonderem. Mein Modestil offenbart meine unangepasste, laute, neugierige, individuelle und lebenslustige Seite.
Ich entscheide spontan nach Gefühlslage und anstehenden Terminen, was ich trage. Bei guter Laune und Freizeit ist alles erlaubt. An normalen Tagen kleide ich mich mit gedeckten Farben und einem außergewöhnlichen Teil. Bei schlechter Laune oder schwierigen Terminen wird’s grau, schwarz und schlicht.
Über die Jahre habe ich eine Sympathie für gewisse Modedesigner entwickelt, dessen Stoffe, Schnitte und Muster mir besonders gut gefallen. Manche dieser Stücke sind schon einige Jahre alt, da sie jedoch ein Teil von mir sind, bleiben sie für mich up to date.
Elias Tollmann, 19 Jahre, Heilbronn, Fotograf:
Ich mag modisch alles, was sich von der Norm unterscheidet – am liebsten Gothic und Techwear. Ich trage gern Cargohosen, Stiefel und Oversize und versuche mich gern an untypischen Dingen, wie Nagellack, viele Ketten etc. Mein Ziel: umso auffälliger, umso besser. Bei Klamotten spar ich nicht wirklich. Ich kaufe gern Produkte, die umweltfreundlich hergestellt sind, z.B. T-Shirts und Hoodies aus dem Secondhand oder von Hydra CCC.
Ich gehe dem Mainstream ziemlich aus dem Weg, da ich nicht wie jeder Zweite aussehen möchte. Ich habe natürlich nichts gegen Personen, die sich so anziehen. Hauptsache man fühlt sich wohl. Ich bin es gewöhnt, dumm angeschaut zu werden, da ich mich anders kleide – das ist auch, was ich möchte. Ich schwimme eben gern gegen den Strom, was mein Kleidungsstil auch aussagt.
Kerstin Gabriel, 27, Flein, Personalmanagerin:
Mein Modestil ist minimalistisch, aber dennoch ausgefallen. Meine Outfits spiegeln meine Mood. An trüben Tage, würde ich am liebsten Cozy Homewear tragen. Seit ich Mama und viel zu Hause bin, tue ich das auch. Wenn ich verabredet bin, ist es mir aber sehr wichtig, stilbewusst unterwegs zu sein und werfe mich mich dann in Schale. Ich schmücke meine Outfits gern mit hochwertigen Handtaschen und Schuhen. Die Kleidungsstücke müssen sitzen und ich mich darin wohlfühlen. Ich lege wert auf Qualität und Exklusivität und unterstütze keine billigen Brands, die breitmassig verkaufen. Spontaneinkäufe kommen daher seltener vor.
Ich lasse mich gern von den »Großen der Mode“« anregen, folge aber keinem Trend, wenn er nicht zu mir passt. Ich lerne gerne und viel Neues dazu, bleibe mir selbst aber immer treu. Ich freue mich, wenn ich feststelle, dass ich andere mit meinem Kleidungsstil inspiriere.
Jermaine Wesley, 25, Heilbronn, Produktionsmitarbeiter:
Mode ist für mich eine Kunst, ein Wechselspiel aus Bequemlichkeit und gutem Aussehen, ein Mittel, sich abzugrenzen, zu polarisieren, in ihr auszuleben. Mein Modestil ist selbst- und trendbewusst. Ich mag Looks, bei denen immer etwas heraussticht, ob Sneaker, Shirt oder Hoodie einer angesagten Marke. Ich kombiniere aktuell Oversize-Streetwear-Marken wie z.B. LFDY mit Elementen von Louis Vuitton, Balenciaga, Dior etc.
Schon in jungen Jahren habe ich mich stark für Luxusmarken interessiert. Ich kaufe überwiegend online ein. Gerne lass ich mich inspirieren, springe aber nicht auf jeden Zug auf, sondern achte darauf, dass ich meinem Stil treu bleibe – Streetwear kombiniert mit Luxuspieces.
Monique Burroughs, 48, Flein, Krankenschwester:
»Mode soll mir Spaß machen und das darf man auch sehen. Ich bin ich! Es ist mir egal, mit meinem Kleidungsstil aufzufallen. Gerne trage ich Altes mit Neuem kombiniert. Ich finde es spannend, wie lang gehortete Kleidungsstücke durch etwas Neues wieder zum Leben erwachen können.
Ich lege Wert darauf, mich nie verkleidet zu fühlen, sondern das Wohlfühlen hat Priorität. Und das tue ich, wenn ich weiß, was ich auf meiner Haut trage! In Zeiten der Nachhaltigkeit hat sich mein Kaufverhalten verändert. Ich mache nicht bei jedem Mainstream mit. Inzwischen kann ich es mir leisten in Kleider zu investieren. Die Marke ist mir egal. Wichtig ist mir eher, wie und wo das Teil hergestellt wurde. Mehr Bewusstsein beim Konsum! Das macht mich und meine Persönlichkeit aus!«
Laura Bethke, 26, Sinsheim, Sachbearbeiterin Marketing:
»Mode bedeutet mir sehr viel, denn sie ist für mich die Visitenkarte der Persönlichkeit und entscheidet über den ersten optischen Eindruck.
Meinen persönlichen Stil würde ich als schlicht-elegant bezeichnen. Ich trage gern neutrale Farben, aufgewertet mit einem schönen Accessoire, wie einer Uhr, Ohrringen und einer Tasche. Ich limitiere mich nicht auf eine Marke, sondern kaufe nur die Stücke, die mich sofort begeistern – in denen ich mich sehe. Ich bin authentisch und bleibe mir treu. Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt durch auffällige Kleidung, sondern hinterlasse lieber positiv-dezent Eindruck.«