Lektionen für das soziale Umfeld

Sag mir wer Dich umgibt und ich sag Dir wer Du bist. Über die eigenen Erkenntnisse zu den »Big Five« und wie es fünf weitere Zeitgenossen betrachten.

«Du bist der Durchschnitt der fünf Menschen, mit denen du am meisten Zeit verbringst», steht in sozialen Netzwerken. Unser engstes Umfeld beeinflusst unsere Art zu denken und handeln. Das Mindset dieser Menschen, ihre Stärken und Marotten färben auf uns ab, selbst wenn sie physisch nicht anwesend sind. Wie etwa mein Vater, mit dem ich nur lose kommuniziere. Er hat dennoch lange die »Poleposition meiner Big Five« in meinem Hirn besetzt. Doch leider auf eine destruktive Art. Meine Lektion Nummer eins: Meine Gedanken gehören mir!  Also besetzte ich diesen Raum zunehmend mit einem Menschen, bei dem ich mich getragen fühle: meiner Mutter. Ihre Stille und vermeintliche Machtlosigkeit lehnte ich früher ab. Heute schätze ich sie unendlich.

Wenn ich die Summe meiner »Big Five« bin, wer bin ich dann also und will ich so sein?
Ich fühle mich heiter und tiefgründig, wenn ich mit meiner Freundin Petra kommuniziere. Wir bewundern und inspirieren uns gegenseitig. Doch dieser Platz war lange besetzt mit einer alten Freundschaft, wo das Feuer längst entbrannt war. Ich kann doch nicht eine jahrzehntelange Freundschaft einfach aufgeben?! »Doch! Wenn sie mir mehr Energie und Freude zieht, als sie anzuheben.« Das lehrte mich meine Arbeitskollegin Moni, die ich längst zu meinen Herzmenschen erhoben habe. Sie ist witzig, gelassen und voller Lebensenergie. Ja, so will ich sein. Sie lehrte mich Lektion Nummer zwei: es darf Lebensabschnittsgefährten geben. Menschen begleiten uns in Lebensphasen, in denen man sich gegenseitig bereichert. Sobald aber einer ausschert und sich weiterentwickelt, verändern sich oft Interessen und Werte. Die Gesprächsthemen und Anziehungskraft können schwinden. Und das ist Okay. Ich blicke also dankend auf diese einst wertvolle Freundschaft und lasse sie los. Ich erfuhr damit Lektion Nummer drei: Loslassen schafft Raum für neue Sichtweisen und Beziehungen.
Zum Beispiel für meine Schwägerinnen Felizitas und Katja. Lange sah ich eher unsere Heterogenität. Doch uns verbinden große Themen: der schwesterliche Respekt, die Mutterschaft, die Solidarität im Familiensystem und Fürsorge füreinander. Das kann ich nun dankend annehmen, weil ich – Lektion Nummer vier – meine Perspektive, wie ich Menschen sehe, ändern kann.
Und meine fünfte Erkenntnis: Begegne ich meinen Mitmenschen wertschätzend, statt sie verändern oder belehren zu wollen, entsteht ein herrlich spannendes Miteinander. 

Wie es um ihr Umfeld und eigenes Wirken besteht, offenbaren diese Mitmenschen:

Katharina Gök, 31 Jahre, Bretzfeld, Vertriebsmitarbeiterin:
»Wichtig sind mir die Menschen, die mich inspirieren und deren Meinungen ich schätze.
Mein Vater beflügelt und prägt mich seit ich denken kann. Er zeigt mir seine Liebe durch seinen respektvollen Umgang sowie seine ruhige und warme Stimme, die in mir mehr bewirkt als eine Umarmung.
Mit meiner Freundin aus der Schulzeit, die mittlerweile in Berlin lebt, telefoniere ich stundenlang. Wir helfen einander, die Höhen und Tiefen des Lebens zu bewältigen. Wenn ich vor einer großen Entscheidung stehe, ist aber eine liebe Arbeitskollegin meine erste Anlaufstelle. Bei ihr kann ich sein wie ich bin, sie erhebt nie den Zeigefinger, sondern ist ehrlich und direkt. Meine jüngste Schwester ist mir zudem sehr wichtig. Wir geben jeweils acht auf den anderen und lernen voneinander. Für ihre weltoffene Einstellung bin ich unendlich dankbar und sie hinterlässt bei mir große Spuren. Und da wäre noch die Freundin, die das krasse Gegenteil von mir ist. Ich bewundere ihr ganzes Wesen. Sie kämpft für ihre Träume, trotz einiger Hindernisse, bis sie sie erreicht. Das schenkt mir Hoffnung.
Heute weiß ich, was ich will und gestalte bewusst mein Umfeld. Ich bin sehr kommunikativ und humorvoll, höre gerne zu und kann Situationen und Menschen richtig einschätzen. Manchmal bin ich leider zu impulsiv und schiesse über das Ziel hinaus. Doch wer mich gut kennt, kommt damit klar.«

Evita Pavlenok, 21, Heilbronn, freiberufliche Fotografin, Ausbildung zur Foto- und medientechnischen Assistentin:
»In meinem engsten Umfeld ist es mir wichtig, akzeptiert zu werden und ich sein zu können. Meine Eltern waren als kleines Kind meine Vorbilder und sind jetzt meine Ratgeber. Zu wissen, dass sie immer für mich da sind, gibt mir ein gutes Gefühl.
Meine beste Freundin aus der Schulzeit lebt in Heidelberg. Uns verbindet vor allem die Kunst und wir pflegen einen regen Austausch. Meine »Lockenschwester« Marcela ist mir in letzter Zeit sehr ans Herz gewachsen. Sie ist eine kreative und spirituelle Person, die das Leben genauso wahrnimmt wie ich. Unser Kennenlernen war Glück im Unglück.
Manche Freundschaften verleben sich, weil Menschen sich verändern – und das ist gut so! Es kam schon vor, dass ich Freunde aussortiert habe, weil es keine Gesprächsrelevanz mehr gab, die Interessen sich veränderten oder es einseitig wurde. Meine heutigen Engsten inspirieren mich zum Leben, Erschaffen und Positiven. Ich bin sehr dankbar, dass sie für mich da sind und ich für sie da sein darf.« 

Gabriela Lang, 43, Heilbronn, Vertrieb:
»In meinem Umfeld ist mir Akzeptanz und Ehrlichkeit wichtig. Ich mag, wenn Freunde mich fordern, aber nicht überfordern. Wie meine Grundschulfreundin Jasmin. Sie hat mich schon als Kind mitgerissen, mir vertraut, wir waren wie Ying & Yang. Heute lebt sie in Hamburg und ich vermisse sie sehr. 

Sobald ich mit meiner Trauzeugin Alex zusammen bin, entsteht eine unbeschreibliche Fröhlichkeit. Wir haben in den 23 Jahren Freundschaft schon vieles zusammen erlebt, über das wir heute gemeinsam lachen. Meine Cousine Katja und ich sind uns sehr ähnlich. Wir kennen uns seit wir Babys sind. Noch heute, wo jeder seine eigene Familie und Freunde hat, suchen wir einander und schätzen unsere vertraute Beziehung. 
Flo ist der beste Freund meines Mannes und wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Ich weiß, wie er sich fühlt, verstehe ihn direkt oder wir denken in selben Moment das Gleiche. Vielleicht weil er mein nicht biologischer Zwilling ist! Ich bin nur sieben Stunden älter als er. 
Mein Mann Alex gehört mit unserer Tochter zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben. Kennengelernt vor 26 Jahren, war es Liebe auf den ersten Blick. Er ist mein bester Freund und der tollste Ehemann. Ich schätze seine Gedanken und seine Meinung. Er fordert mich und gibt mir Kraft und Ruhe.
Ich war früher immer in Bewegung und neugierig, neue Menschen kennenzulernen. Heute weiß ich, dass ich mit meinen Big Five die besten Freunde fürs Leben gefunden habe.«

Raid Scharbil Gharib, 39, Flein, Gründer und CEO: »Ich umgebe mich gern mit seelenverwandten Menschen. Ich mag es gelassen, ehrlich und humorvoll. Ja, meine Umgebung beeinflußt mich. Darum ist es mir auch wichtig, das »Andere« und Neue zuzulassen. Als Gründer und Unternehmer suche ich nach Talenten und sehe es als meine Herausforderung an, ihnen zu helfen, sich weiterzuentwickeln. Das erfordert Mut, Empathie und Demut – sich selbst zurückzuhalten und im anderen den Star zu sehen. Ich kann unglaublich anstrengend sein für mein engstes Umfeld, wenn ich mal »im Tunnel« bin. Aber diese Menschen wissen, dass sie im Ernstfall auf mich zählen können – und zwar zu 110%.«

Susanne Vasquez, 41, Nordheim, Angestellte im öffentlichen Dienst:
»In meinem engsten Umfeld ist mir Freude und ein ehrliches Miteinander wichtig. Ich schätze eine friedliche und harmonische Atmosphäre. Meine Töchter, Schwester, beste Freundin, Mutter und mein Mann zählen zu meinen wichtigsten Menschen. Ihre Liebe und Ratschläge bedeuten mir sehr viel. Ihnen schenke ich mein Vertrauen und meine Liebe. Darum versuche ich auch, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Vor allem wenn man »falschen« Menschen mal begegnet ist, wird man sensibilisiert für die besonderen im Leben.«