Mama besiegt Corona
Kleines Quiz:
Welche Berufsgruppe arbeitet rund um die Uhr, bewältigt am Tag mehrere akute Notfall-Einsätze,
bietet existenzielle Dienstleistungen, wie 24h-Krisen- und Ideenmanagement,
ist flexibel & immer regional vertreten,
hält seit der Corona-Krise eigenverantwortlich das Schulsystem aufrecht,
betreut erwerbslose und desorientierte Partner,
unterstützt als Bewegungsexperte präventiv das Gesundheitssystem,
beweist exorbitantes Organisationstalent, Belastbarkeit & Teamfähigkeit,
hat keinen Anspruch auf Pausen, Feierabend oder Urlaub,
erhält keinen Mindestlohn, keine staatlichen Zuschüsse,
keine Krisenentschädigung, noch politische Wertschätzung,
betrifft über 11 Millionen Menschen in Deutschland?
Ein Alltagsausschnitt von elf Millionen:
„Mama, es ist nur eine Challenge: ‚Die langsamste Hausaufgabe der Welt!‘“ Ist die 10-Jährige gut drauf, scherzt sie sogar. Das kommt fast nie vor während des Homeschoolings. Jeden Vormittag drei bis vier Stunden lang werden die Welt, die Schule und die schlimmste Mutter des Universums verflucht, seit dem 9. März 2020. Jeden vormittag Mo-So neben ihr sitzend, andernfalls beamt sich das Kind gedanklich in andere Sphären. Es ist viel Stoff. Neuer Stoff. Wir brauchen auch das Wochenende dazu.
„Huunger!“ Schon wieder. Den ganzen Tag. Gekocht wird doppelt so oft. Geputzt wird doppelt so viel. Geräuschkulisse ist zehnmal so hoch. Nicht „Corona“ gewinnt die aktuelle Sprach-Statistik, sondern „Mama“!
„Mudda, chill dein Leben! Die Prüfungen wurden verschoben.“ Jeden Mittag beim 16-jährigen, der in diesem Jahr seinen Realschulabschluss macht. Mittag, weil er den Vormittag verpennt. Nachmittags darf ich seine wichtigsten Missionen nicht stören – online zocken und Netflix-Marathon. Abends: „Ey Mutter, ich check diesen ganzen besch… Stoff nicht! Helf’ mir mal kurz!“ Die Lehrer sind schuld. Und die Mudda. Weil ich da bleibe. Dran bleibe. „Boah, du hast doch keine Ahnung!“ Das Selbstbewusstsein hält das aus. Auch, dass ich „Spießerin“ bin.
„Maama! Wogistdu?“, der Zweijährige sucht und findet mich. Er strahlt. Mein Herz geht auf.
Und schreckt kurz danach auf. „Iiich kaaann bei dieser Lautstärke nicht arbeiten! Immer stört diese Nervensäge!“ Was die Schwester schreit, tangiert den Kleinen zum Glück noch nicht. Er zieht an meinem Finger. „Runta!“ Er ist so glücklich, wenn die Waschmaschine läuft. Also wird gewaschen. Er schaut 20 Minuten dem Schleuderdrama zu. Dann wird „Guckuck“ gespielt mit dem Haufen der liegengebliebenen Bügelwäsche. Blusen und Hemden benötigt gerade keiner.
Das eigene Geschäft des Mannes ist zu. Er darf nicht mehr verkaufen. Während im Supermarkt daneben hunderte Leute einkaufen, sind einzelne Kundentermine nicht gestattet. Fahrzeughandel ist nicht systemrelevant.
„Hast du schon die neuen Zahlen gehört?“ Der Ehemann macht ein Fernstudium zum Influenza-Statistiker und Verschwörungstheoretiker. Nein, dafür hatte ich noch keine Zeit. Und zum Lesen, Joggen oder Instagram-Surfen auch nicht. Das System darf schließlich nicht zusammenbrechen. Und Mutti hoffentlich auch nicht.
Vielleicht gibt es ja staatlich geförderte Hotel-Gutscheine für alle Mütter – als Orden für ihre superrelevanten Landesdienste? Und bezuschusste Bundesliga-Tickets für die resignierte Männerfront? Das wäre eine Win-win-Situation.
Eine wichtige Erkenntnis erschließt sich mir aus dieser Krisenzeit: Ich zweifle nie wieder an der heilsamen Wirkung des Fußballs – digital, live, regional, ganz egal! Lieber Fußballgott, wir geben die Männer wieder frei!
Illusion einer Mutter – so harmonisch läuft es selten ab. Die Kinder wurden für diese Performance bestochen. 😉